Liquiditätsgrade 2025 – Warum klassische Kennzahlen nicht mehr reichen
- NextLevel

- 29. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Liquidität ist überlebenswichtig. Doch viele Lehrbücher und Aus- und Weiterbildungen (auch an etablierten Höheren Fachschulen) vermitteln noch immer die alte Faustregel:
„Liquiditätsgrad 2 muss bei 100 % liegen.“
Aber leider sind sie damit einfach nicht auf der Höhe der Zeit. Wieso diese Kennzahlen heut enicht mehr reichen, zeigen wir Dir ...

Ein Blick in die Realität beweist (hier am Beispiel Nestlé AG in den Jahren 2020 - 2024):

selbst SMI- oder DAX-Konzerne liegen oft deutlich unter den "vorgebeteten" 100%– und gelten trotzdem als kerngesund. Warum? Weil sich die Bewertung von Liquidität und Risiko in den letzten Jahren grundlegend verändert hat.
Was sind Liquiditätsgrade – und wo liegt ihr Limit?
Liquiditätsgrad | Formel | Aussage |
1. Grades (Cash Ratio) | Liquide Mittel / kurzfristige Verbindlichkeiten | Sofortige Zahlungsfähigkeit |
2. Grades (Quick Ratio) | (Liquide Mittel + Forderungen) / kurzfristige Verbindlichkeiten | Zahlungsfähigkeit bei pünktlicher Kundenzahlung |
3. Grades (Current Ratio) | (Liquide Mittel + Forderungen + Vorräte) / kurzfristige Verbindlichkeiten | Zahlungsfähigkeit inkl. Lagerverkäufe |
Diese Kennzahlen sind statisch – sie zeigen nur eine Momentaufnahme. Doch Liquidität ist dynamischer denn je! Unternehmen arbeiten mit Kreditlinien, Zahlungszielen, saisonalen Schwankungen und Cash-Pools. Die Realität ist komplexer.
Warum ist die 100 %-Regel beim Liquiditätsgrad 2 schon lange überholt?
Kreditlinien & Cash Pools: Viele Unternehmen verfügen über nicht bilanzierte Liquiditätsreserven.
Branchenabhängigkeit: Handelsunternehmen haben hohe Vorräte, Tech-Firmen fast keine – Liquidität ist strukturell verschieden.
Cashflow statt Bilanzkennzahl: Banken achten zunehmend auf dynamische Liquiditätsplanung.
Verhandlungsmacht: Große Unternehmen verhandeln längere Zahlungsfristen – das verzerrt die Kennzahlen.
Gap-Analyse – die moderne Alternative
Die Gap-Analyse betrachtet die zeitliche Struktur von Ein- und Auszahlungen und zeigt, wann Liquiditätsengpässe entstehen – nicht nur, ob sie existieren. Gerade Banken und Finanzverantwortliche nutzen diese Methode, um Risiken realistisch einzuschätzen und frühzeitig gegenzusteuern.
In der Praxis wird die Gap-Analyse heute kaum noch manuell durchgeführt. Stattdessen setzen Unternehmen auf spezialisierte Softwarelösungen wie Tidely, Agicap, Commitly, Helu oder re:cap, die Zahlungsströme automatisch erfassen, Fälligkeiten analysieren und kritische Zeitfenster visualisieren. Diese Tools ermöglichen eine Echtzeit-Überwachung der Liquidität, integrieren sich nahtlos in Buchhaltungs- und ERP-Systeme und bieten oft auch KI-gestützte Prognosen und Szenarienplanung.
So erkennen Banker und Finanzverantwortliche zeitliche Liquiditätsrisiken, die klassische Kennzahlen wie der Liquiditätsgrad 2 oft verschleiern – und treffen fundierte Entscheidungen auf Basis dynamischer Daten statt statischer Momentaufnahmen.
Wie Banken 2025 Liquidität und Risiko bewerten
Die Risikobewertung hat sich stark gewandelt:
Datenbasierte Kreditentscheidungen: KI-gestützte Frühwarnsysteme und Szenarioanalysen sind Standard.
Regulatorische Anforderungen: Basel III, CRR III und NSFR verlangen dynamische Liquiditätsnachweise.
Stressresistenz statt Kennzahlen: Banken prüfen, ob Unternehmen auch bei Marktstress zahlungsfähig bleiben.
ESG & Digitalisierung: Nachhaltigkeit und technologische Reife fließen in die Bonitätsbewertung ein.
Fazit: Liquidität neu denken
Liquiditätsgrade sind ein Startpunkt – aber keine Entscheidungshilfe.
Gap-Analysen und Cashflow-Szenarien sind heute Standard in der Bankenwelt.
KI-Tools wie ChatGPT helfen, komplexe Daten zu interpretieren und Berichte zu erstellen.
Banken 2025 bewerten Unternehmen ganzheitlich – nicht nur nach Zahlen, sondern nach Resilienz, Strategie und Technologieeinsatz.
Alte Regeln – neue Fragen?
Liquiditätsgrade, Anlagedeckungsgrade, goldene Bilanzregel – jahrzehntelang galten sie als unantastbare Maßstäbe für finanzielle Stabilität. Und dann steht man plötzlich vor der Frage: Was ist ihre Relevanz heute noch?
Wenn Banken mit Eigenkapitalquoten von 5–10 % als solide gelten – wie passt das zur alten Empfehlung, Unternehmen sollten „möglichst viel Eigenkapital“ besitzen?
Und wenn klassische Kennzahlen Liquiditätsrisiken nicht mehr sichtbar machen – was tritt an ihre Stelle?
Vielleicht ist es Zeit, die alten Regeln nicht zu verwerfen, sondern neu zu denken. Denn wer heute Liquidität sichern will, braucht mehr als Kennzahlen. Er braucht Einblick in Zeitverläufe, Szenarien und Bewegungen – und vielleicht auch den Mut, sich von liebgewonnenen Dogmen zu lösen.
Tipp für Unternehmer:innen & Controller:innen
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